Schon wieder Streit statt eines schönen Abends? Eine häufige Ursache und wie Du sie vermeiden kannst.

By Barbara Wanning / Aktualisiert am 10.01.2022
Schon wieder Streit

Eigentlich fing alles ganz harmonisch an….

Mein Mann und ich waren abends im Restaurant beim Essen und wurden dabei unfreiwillig Zeugen eines – hm - sagen wir mal sehr unharmonischen Gesprächs am Nebentisch.

Die zwei – ein junges Pärchen -  saßen bei Kerzenlicht in einer kleinen Nische des Restaurants, beide hatten ein Glas Wein vor sich stehen und unterhielten sich angeregt.

[Ich gebe das Gespräch nachfolgend so wieder, wie ich es in Erinnerung habe, und auf die wesentlichen Punkte gekürzt. Denn es zeigt ein typisches Problem sehr deutlich auf. Ich hoffe, die beiden verzeihen mir das.]

Sie erzählte ganz begeistert von einem Konzert, das am nächsten Abend stattfinden sollte.

Sie:      „Boah, Mann, die Band ist so geil! Noch voll der Geheimtipp, aber ich hab‘ die schon auf YouTube gesehen. Wahnsinn, was die für eine Show machen!Ich möchte da mit Dir hin! Bitte, bitte, bitte!“

Sein Gesicht verzog sich merklich. Er guckte schon leicht gestresst, als er antwortete.

Er:        „Morgen Abend? Da hatten wir doch seit langem geplant, in Ruhe die Route für unsere Urlaubstour nächstes Jahr durchzusprechen…“

Sie:      „Ach, das ist doch egal! Das können wir doch auch wann anders machen.Aber die Band spielt nur morgen! Das war eh totales Glück, dass ich das mit dem Konzert mitgekriegt habe. Biiiiiiiitttttttte!“

So schnell wollte sie sich offensichtlich nicht geschlagen geben. Er war allerdings auch nicht gerade leicht von seinem Plan abzubringen. Sein Ton wurde zunehmend schärfer.

Er:        „Mir ist aber wichtig, dass wir nicht immer alles über den Haufen schmeißen, was wir vereinbart hatten. Sonst kommen wir wieder nicht dazu, die Urlaubsplanung zu machen.“

Sie:      „Menno, blöde Planung! Können wir nicht einfach mal spontan Spaß haben?Ich will da hin! Das wird bestimmt mega-cool!“

Doch dann: Mal wieder schief gegangen…

Du ahnst wahrscheinlich schon, dass dieses Gespräch nicht mehr zu retten war. Ein Wort gab jetzt das andere, ein böser Streit bahnte sich an.

Er:        „Du nervst! Nie hältst Du Dich an unsere Abmachungen! Und ich soll dann immer nach Deiner Pfeife tanzen, nur weil Dir plötzlich was anderes in den Sinn gekommen ist! Nein, nicht mit mir!“

Sie:      „Du bist so doof! Voll der Spießer! Ich weiß eigentlich überhaupt nicht, warum ich mit Dir zusammen bin!“

Mehr haben wir nicht mitgehört, da wir unseren Partnerabend dann zu Hause fortgesetzt haben. Aber Du kannst Dir sicher vorstellen, dass der Abend für die beiden nicht besonders harmonisch geendet ist. Und das mit dem gemeinsamen Konzertbesuch hat vermutlich auch nicht geklappt. So schade!

Aber was ist denn hier eigentlich passiert? Warum ist aus dem schönen Abend auf einmal ein fetter Streit geworden?

Ich habe da ein paar Vermutungen. Eine davon möchte ich in diesem Artikel etwas näher beleuchten.

Verschiedene Bedürfnisse treffen aufeinander – und… Peng!

Wenn wir uns die Unterhaltung der beiden noch einmal genau ansehen, zeigt sich, dass hier zwei grundverschiedene Bedürfnisse aufeinander treffen.

Ihm scheint eine klare Zeitstruktur und gute Planung wichtig zu sein. Auch legt er offensichtlich Wert darauf, dass getroffene Absprachen eingehalten werden.

Bei ihr dominiert dagegen wohl der Wunsch nach spontanem Spaß. Sie reagiert auf sich zufällig ergebende Gelegenheiten und schmeißt dafür gerne auch mal alle bisherigen Pläne über den Haufen.

Und da stecken wir schon mitten im Problem!

Die meisten von uns gehen davon aus, dass das, was für sie selber gut und wichtig ist, dem anderen ebenso viel bedeutet.

Oft zeigt sich das zum Beispiel auch bei Geschenken. Vielleicht hast Du ja auch schon einmal etwas geschenkt bekommen, was so gar nichts mit Deinen Interessen oder Vorlieben zu tun hatte? Ein Geschenk, das eindeutig den Geschmack des Schenkenden widerspiegelte? Das passiert aus genau demselben Grund. Wir sind so sehr in unserer eigenen Erlebenswelt gefangen, dass wir denken, dem anderen etwas Gutes zu tun. Und wir übersehen dabei, dass der andere eventuell ganz anders tickt als wir.

Das geschieht nicht absichtlich. Es ist auch nicht böse gemeint. Der andere will uns damit nicht ärgern. Er steckt nur fest in seiner „Filterblase“ - so nenne ich das jetzt einfach mal.

Entdecke jetzt Deine Persönlichkeit!

Um wieder auf das Pärchen von neulich zurückzukommen:

Sie kann nicht verstehen, dass er nicht bereit ist, von seinen Plänen abzuweichen. Wo das Konzert doch so eine einmalige Gelegenheit ist! Da muss man doch einfach mal ein bisschen flexibel reagieren!

Und er kann nicht verstehen, warum sie sich nicht an getroffene Vereinbarungen hält. Schließlich war das mit dem Planungsgespräch seit längerem fest ausgemacht. Und einen neuen Termin zu finden, wird sicher wieder schwierig.

Da keiner der beiden die Bedürfnisse des anderen sieht, geschweige denn anspricht, schaukelt sich das Ganze sehr schnell immer weiter hoch. Frust und das Gefühl, nicht verstanden zu werden, nehmen zu. Rasch ist der schönste Streit im Gange.

Das kommt Dir bekannt vor? Willkommen im Club!Auch ich tappe immer mal wieder in die Filterblasen-Falle. Das ist menschlich.

Und doch kannst Du einiges dafür tun, damit Dir das seltener passiert.

Selbsterkenntnis ist der erste Schritt zur Besserung 😉

Bitte entschuldige. Diesen Spruch konnte ich mir gerade nicht verkneifen.

Was meine ich nun wirklich damit?

Es geht darum, sich selber und den anderen besser kennenzulernen und nicht automatisch von sich auf den anderen zu schließen.

  • Kennst Du Deine Bedürfnisse?
  • Weißt Du, was Dir wichtig ist?
  • Wie lauten Deine Grundannahmen über die Welt als solche, über Beziehungen und ein gutes Miteinander?
  • Welche Voraussetzungen müssen für Dich erfüllt sein, damit Du Dich entspannen kannst?
  • Was treibt Dich in den Wahnsinn?
  • Wobei gehst Du sofort auf die Palme?

Mir ist zum Beispiel Pünktlichkeit sehr wichtig. Ich achte, darauf, dass ich zu Verabredungen rechtzeitig komme. Meistens bin ich ein paar Minuten zu früh da. Lieber warte ich ein bisschen, als dass ich herum hetze oder den anderen warten lasse.

Dasselbe erwarte ich allerdings auch von den anderen. Ein Treffen steht für mich schon „unter einem schlechten Stern“, wenn der andere zu spät kommt. Das empfinde ich als extrem unhöflich und es stresst mich. Je nach meiner Grundstimmung an diesem Tag dauert es dann manchmal ganz schön lang, bis sich meine Missstimmung wieder legt.

Ich weiß aber, dass Pünktlichkeit im Leben vieler Menschen überhaupt keine Rolle spielt. Und dass diese überhaupt nicht verstehen können, warum ich mich an „so einer Kleinigkeit“ aufhängen kann.

Besser oder schlechter?

Ist jetzt das eine besser oder schlechter als das andere? Nein. Es ist einfach nur anders. Und es erfordert Achtsamkeit im Umgang miteinander.

Wenn ich feststelle, dass es in einer Beziehung solche Unterschiede gibt, dann ist es wichtig, über diese zu sprechen. „Bei mir ist das so und so.“ „Ehrlich? Das ist ja spannend. Bei mir ist das ganz anders…“

Uih, ich merke gerade, dass sich hier das Thema für einen weiteren Artikel auftut. Denn so einfach, wie die beiden Sätze oben es andeuten, ist es in der Praxis meistens nicht, über seine Bedürfnisse zu sprechen.

Übung macht den Meister!

Lass uns deshalb für heute mal beim Erkennen der Bedürfnisse bleiben. Dazu möchte ich Dich zu einer kleinen Übung einladen:

  1. Du erstellst mit Hilfe der oben genannten Fragen eine Liste Deiner Bedürfnisse.
  2. Du bittest Deinen Partner, dasselbe zu tun.
  3. Ihr legt beide Listen nebeneinander und vergleicht diese. Ohne Wertung.Gibt es identische Punkte? Tauchen beim anderen Dinge auf, die Euch völlig fremd sind? Fallen Euch dadurch weitere Sachen ein, die Ihr auf Eurer Liste vergessen hattet?

In dieser Übung geht es darum, zunächst nur einmal ein Gespür für die Unterschiede zu entwickeln. Bitte fangt nicht an, die Sinnhaftigkeit oder Notwendigkeit der einzelnen Punkte zu diskutieren. Ziel ist es zu erkennen, dass manches, was mir extrem wichtig ist, für den anderen überhaupt keine Bedeutung hat. Dinge, die für mich ganz selbstverständlich sind, kommen ihm vielleicht gar nicht in den Sinn, und umgekehrt.

Okay, soviel für heute. Damit lasse ich Euch nun erstmal in Ruhe arbeiten.Viel Spaß und spannende neue Erkenntnisse!

Herzliche Grüße,

PS: Wenn Du nicht so gerne alleine vor Dich hin werkelst, dann melde Dich bei mir. Über das Kontaktformular hast Du den direkten Draht zu mir! Ich unterstütze Dich gerne!

About the author

Barbara Wanning

Hallo, ich bin Barbara Wanning und seit 2009 habe ich mich endgültig dem Thema "Kommunikation" verschrieben. Denn nichts spielt für mich eine ähnlich große Rolle in privaten und beruflichen Beziehungen wie gehört und verstanden zu werden. Deshalb sorge ich in Trainings und Beratungen dafür, dass Missverständnisse und Beziehungsstress keine Chance mehr haben!

Peter - 23. November 2019

Hihi, das mit den beiden Listen sollte man auch mit seinen Arbeitskollegen und vor allem seinem Chef machen. Ich bezweifel aber dass da jeder immer ehrlich ist 😉
In einer Partnerschaft hilft es ganz sicher, sich besser zu verstehen.
Und wenn man ins streiten kommt kann sich vielleicht einer leichter dran erinnern und sich und den anderen wieder dran erinnern und so das ganze in ein konstruktives Gespräch verwandeln.

    Barbara Wanning - 24. November 2019

    Hallo Peter,

    da hast Du Recht!
    Mehr über den anderen zu wissen und ihn dadurch besser verstehen zu können, hilft in allen Bereichen. Auch in der Arbeit.
    Frag‘ doch einfach mal Deine Kollegen. Vielleicht ergibt sich ein interessanter Austausch.
    Ich drücke Dir die Daumen!

    Viele Grüße,
    Barbara

Elizabeth Winter - 23. November 2019

Vielen Dank für diesen Artikel!
Ich habe mich inzwischen mehrfach dabei erwischt, wie ich – wieder mal – automatisch davon ausgegangen bin, dass mein Freund das Gleiche wie ich wichtig findet. Und war enttäuscht, dass das nicht so war.

Ich liebe es zum Beispiel, den Tisch zum Frühstück am Wochenende schön zu decken. Das „gute“ Geschirr, Stoffservietten, Wurst und Käse auf kleinen Platten angerichtet, die Brötchen in einem Korb, etc. Ich finde, dann schmeckt es einfach besser. Das Auge isst doch mit!
Letzten Sonntag hatte ich mir besondere Mühe gegeben. Gegen das trübe Wetter hatte ich sogar Blumen auf den Tisch gestellt. Und mein Freund? Sagt keinen Ton! Und klatscht auch noch eine neue Packung Butter einfach in der Folie auf den Tisch. Ich war so sauer!
Er hat überhaupt nicht verstanden, warum ich mich so aufrege. „Hauptsache, wir können jetzt endlich essen!“ war sein einziger Kommentar.

Nachdem ich Deinen Artikel gelesen habe, verstehe ich das Ganze ein bisschen besser. (Obwohl ich immer noch angefressen bin…)
Mal sehen, ob ich ihn dazu überreden kann, die Übung mit mir zu machen.

    Barbara Wanning - 23. November 2019

    Liebe Elizabeth,

    herzlichen Dank für dieses super Beispiel!

    Ich drücke fest die Daumen, dass Ihr mit Hilfe der Übung ein paar neue Einblicke in Eure Verschiedenheit bekommt! Berichte gerne, wenn Du magst.

    Ein schönes Wochenende für Dich und Deinen Freund,
    Barbara

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