Typisch Mann? Typisch Frau? Warum ich „pauschale“ Beziehungstipps nicht mag…

Viele Beziehungs-Ratgeber sind nach dem Schema „Mann – Frau“ aufgebaut. Männer „funktionieren“ so und so, also muss frau nur das und das tun, und alles läuft prima. Und umgekehrt.

Spar‘ Dir die Zeit und Nerven! Das funktioniert so nicht!

Zumindest in den meisten Fällen, die ich kenne, führt das Anwenden von solchen „klassischen“ Beziehungstipps eher zu Frust als zu Lust.

Ich will damit nicht sagen, dass sie alle komplett falsch sind. Denn die zugrundeliegenden Klischees hätten ja nicht entstehen können, wenn es nicht reale Vorbilder dafür gegeben hätte. Nur handelt es sich meist um überspitzte Darstellungen, die dann allen übergestülpt werden. Alle Männer sind so, alle Frauen sind so.

Solche Tipps verleiten dazu, nicht den individuellen Menschen zu sehen, sondern nach Klischees zu handeln. Das kann gut gehen, muss es aber nicht. Und spätestens bei gleichgeschlechtlichen Beziehungen wird es dann oft zappenduster.

Ich sage deshalb: Wenn Du wirklich an Deinem Partner und Eurer Beziehung interessiert bist, dann führt kein Weg daran vorbei, dass Du Dich mit der Einmaligkeit des anderen beschäftigst. Dass Du ihn als individuelle Persönlichkeit kennen- und verstehen lernst.

Ein konkretes Beispiel...

Bei einem großen Partnervermittlungsportal ist unter anderem zu lesen, wie man mit kranken Männern umgehen soll. Nämlich diese betüddeln und liebevoll umsorgen. Sie würden es einem danken.

Au weh! Wenn ich das bei meinem Mann versuchen würde, hätten wir innerhalb kürzester Zeit einen riesigen Krach! Er will einfach nur seine Ruhe haben, wenn er krank ist. Und nicht alle 10 Minuten die Frage hören, ob er noch einen Tee möchte. Oder etwas zu essen. Oder…

Und ich als Frau? Will ich ihn überhaupt betüddeln?
Ja, ich gebe zu, in mir ist das „Kümmer-Gen“ recht ausgeprägt. Von daher bediene ich das Klischee der fürsorglichen Frau manchmal ganz gut.

Ich kenne aber auch genügend Frauen, die ganz anders gestrickt sind. Die sich dann denken (oder es auch aussprechen): „Hey, ich bin doch nicht die Krankenschwester der Nation! Der ist erwachsen und kann sich um sich selber kümmern.“

Ein paar Zahlen gefällig?

Wie Du vielleicht weißt, arbeite ich sehr gerne mit einem bestimmten Persönlichkeitsmodell. In den USA (wo das Modell herkommt und sehr breitflächig eingesetzt wird) liegen Aussagen über die prozentuale Verteilung bestimmter Charaktereigenschaften in der Bevölkerung vor.

Die größte Gruppe stellen hierbei mit 30 Prozent Menschen, die von ihrer Grundausrichtung her warmherzig, sensibel und mitfühlend sind. Alles Eigenschaften, die klassischerweise Frauen zugeschrieben werden. Und ja, 75% aus dieser Gruppe sind Frauen. Aber 25% (!) sind Männer.

Einen weiteren Klischeebruch liefert gleich die nächstgrößere Gruppe. 25 Prozent der Gesamtbevölkerung sind den Profilen zufolge schwerpunktmäßig logisch, verantwortungsbewusst und gut organisiert. Charakterstärken, die meist Männern zugesprochen werden. 75% aus dieser Gruppe sind tatsächlich männlich. Aber wiederum 25% (!) sind weiblich.

25 Prozent aus beiden Gruppen! Das sind nicht gerade wenig!
Und das waren jetzt nur zwei Beispiele.

Ich finde, da lohnt es sich schon, ein bisschen genauer hinzuschauen. Und eben nicht irgendeiner Standardformel „Wenn Mann , dann Y“ – Wenn Frau, dann X“ zu folgen. (Okay, außer Du sprichst gerade über den Chromosomensatz… 😉 )

Was also tun?

Mach‘ Dir die Mühe, und verlass‘ Dich nicht auf Pauschalaussagen. Lerne Deinen Partner mit seinen individuellen Wünschen und Bedürfnissen besser kennen.

Ja, das klingt jetzt nach Arbeit. Genauso wie Pflanzen regelmäßige Pflege brauchen, um wachsen und gedeihen zu können, ist diese Pflege auch für Deine Beziehung wichtig. Und auch hier zeigt sich, wie wichtig Individualität ist. Manche Pflanzen brauchen einen Schattenplatz, andere wollen in die pralle Sonne. Einige brauchen nur sehr wenig Wasser, andere sind richtige Vielschlucker. Die einen brauchen eine spezielle Sorte Dünger, andere würden damit verkümmern. Wenn es hier nur die Unterscheidung in Blüh- und Grünpflanzen mit entsprechenden Pflegetipps gäbe, hättest Du vermutlich recht bald nur noch verdorrte und verkümmerte Exemplare um Dich herum.

Oder - wenn Du mehr auto-affin bist: Das schönste Auto fährt irgendwann nicht mehr, wenn es nicht regelmäßig mit den nötigen Betriebsstoffen versorgt, gewartet und ggf. repariert wird. Eine alleinige Unterscheidung in Verbrennungs- und E-Motoren wäre auch hier nicht hilfreich. Schütte ich Diesel in den Tank eines Benziners, habe ich bei der nächsten Fahrt nicht lange Freude. Nehme ich das falsche Motoröl, riskiere ich einen kapitalen Motorschaden. Und, und, und…

Ich denke, Du hast verstanden, auf was ich hinaus will. Am Anfang einer Beziehung ist alles noch rosarot und leicht. Wenn Du dann aber nicht beginnst, regelmäßig für die richtige Pflege zu sorgen, kann es schnell passieren, dass Sand ins Getriebe kommt und es anfängt zu knirschen.

In meinem Blogbeitrag „Schon wieder Streit statt eines schönen Abends? Eine häufige Ursache und wie Du sie vermeiden kannst!“ findest Du eine schöne Übung, die Dir hilft, dem passenden Pflegeprogramm für Deine Beziehung ein Stück näher zu kommen.

Ich wünsche Dir viel Spaß beim Lesen und viel Erfolg bei der Umsetzung!

Barbara

PS: Hast Du schon mal schlechte Erfahrungen mit Standard-Tipps gemacht? Ich freue mich, wenn Du Deine Erlebnisse hier als Kommentar mit uns teilst. Oder magst Du mir vielleicht eine E-Mail dazu schreiben? Unter info@stressfrei-kommunizieren.de habe ich immer ein offenes Ohr für Dich!

About the author

Barbara Wanning

Hallo, ich bin Barbara Wanning und seit 2009 habe ich mich endgültig dem Thema "Kommunikation" verschrieben. Denn nichts spielt für mich eine ähnlich große Rolle in privaten und beruflichen Beziehungen wie gehört und verstanden zu werden. Deshalb sorge ich in Trainings und Beratungen dafür, dass Missverständnisse und Beziehungsstress keine Chance mehr haben!