Wir reden kaum noch miteinander – Zwiegespräche als Weg aus der Alltags-Stummheit.

By Barbara Wanning / Aktualisiert am 21.01.2021

Wir reden kaum noch miteinander!
Zwiegespräche als Weg aus der Alltags-Stummheit

Wenn Sprachlosigkeit sich breit macht


„Wir reden kaum noch miteinander.“ „Ich weiß gar nicht mehr, was meinen Partner bewegt.“ „Wir sind uns so fremd geworden.“

Drei Sätze, die ich immer wieder von höre. Verbunden mit dem Wunsch, dass sich das doch bitte ändern soll. Mit der Sehnsucht, dass die Gespräche mit dem Partner sich endlich mal wieder um etwas anderes als den Wochenendeinkauf oder den Hausputz drehen sollen.

Träumst Du auch davon, wieder Zeit dafür zu haben, Deinem Partner alles zu erzählen, was Dich gerade bewegt? Von ihm gehört und verstanden zu werden? Und genauso von ihm zu hören, was er erlebt hat? Wie es ihm gerade geht?

Am Anfang Eurer Beziehung habt Ihr doch auch die Nächte durchgequatscht. Da gab es kein Thema, das Ihr nicht gemeinsam von vorne bis hinten durchleuchtet habt. Und jetzt?

Jetzt hat sich im Laufe der Zeit eher Sprachlosigkeit breit gemacht. Du hast das Gefühl, dass Dein Partner gar nicht mehr weiß, was eigentlich wirklich in Dir vorgeht. Richtig?

Gefangen im Teufelskreis der Alltags-Stummheit


Mir ist es mit meinem Mann vor vielen Jahren genauso gegangen. Irgendwie waren wir beide verstummt. Es war wie verhext, als wären wir in einem riesigen Teufelskreis gefangen. Ein Teufelskreis, der dazu geführt hat, dass wir weniger und weniger miteinander geredet haben.

Je seltener wir geredet haben, desto weniger konnten wir unsere jeweiligen Bedürfnisse zur Sprache bringen und uns abstimmen. Was zu wachsender Enttäuschung bei uns beiden geführt hat. Das wiederum war der allgemeinen Stimmung in unserer Beziehung nicht wirklich zuträglich. Woraufhin wir noch weniger miteinander gesprochen haben, usw.

Das Schlimme war, dass nach und nach auch unsere Erotik flöten ging. Irgendwie schienen unsere Gefühle füreinander abzuflauen. Die Enttäuschung wurde auf beiden Seiten immer tiefer. Eine ständige Gereiztheit machte sich breit. Wir haben kaum noch miteinander gesprochen. Und natürlich unsere Bedürfnisse überhaupt nicht mehr miteinander abgestimmt. Und so verschwand allmählich die Lust aus unserer Beziehung.

Da muss es doch einen Ausweg geben!


Eigentlich liegt die Lösung ja auf der Hand. Wenn fehlende Gespräche die Ursache bzw. der Verstärker im gerade beschriebenen Teufelskreis sind, dann müssten vertiefte Gespräche doch dazu führen, diesen Effekt umzukehren. Ja, sie müssten sogar zu einer massiven Verbesserung einer Beziehung beitragen.

Je mehr zwei Partner miteinander reden, umso besser können sie ihre jeweiligen Bedürfnisse erkennen und abstimmen. Umso so mehr wird die Beziehung zu einem Platz, an dem sich beide weiterentwickeln können. Die Missstimmung und Gereiztheit nimmt ab, es kommt zu einem offeneren Austausch. Die Erotik beginnt wieder aufzuflammen. Ein Gefühl tiefer Geborgenheit kann entstehen. Beide machen größere Entwicklungsschritte, können freier miteinander reden usw.

Ein sich selbst verstärkender Kreislauf ist entstanden. Die Beziehung lebt wieder!

Ich muss gestehen; Damals bin ich nicht von alleine auf diese naheliegende Lösung gekommen. Und selbst wenn, hätte ich nicht gewusst, wie ich diese Kreislaufumkehr hätte anstoßen sollen. Ein Buch hat mir damals die Augen geöffnet.

Du möchtest tiefer in das Thema einsteigen?

Für Fortgeschrittene oder Wildentschlossene


Das, was uns damals geholfen hat, und was ich Dir heute vorstellen möchte, ist etwas für Fortgeschrittene. Oder auch für Wildentschlossene. Je nachdem, wie Du das sehen möchtest…

Denn es hört sich erst einmal ganz einfach an. Die Regeln sind leicht zu verstehen. Soweit also alles gut. In der praktischen Umsetzung zeigen sich jedoch oft sehr rasch die ersten Tücken. Und dann kommt es auf Euren Willen an, auf Eure feste Entscheidung, Euch für eine positive Veränderung in Eurer Beziehung einzusetzen.

Okay, genug der Vorwarnung. Wovon spreche ich?

Das Zwiegespräch nach Michael Lukas Moeller


Ich rede von einer tollen Möglichkeit, wieder miteinander ins Gespräch zu kommen und dann kontinuierlich zu bleiben: Zwiegespräche nach Michael Lukas Moeller.

Ihr trefft Euch dabei regelmäßig. Jeder erzählt dem anderen das, was ihn gerade bewegt. „Keine Fragen. Keine Ratschläge. Jeder über sich.“

Das sind wichtige Voraussetzungen dafür, dass Zwiegespräche erfolgreich werden. Diese folgen darüber hinaus einer festen „Grundordnung“, wie Moeller es nennt. Ohne diesen festen Rahmen gelingen die Gespräche nicht.

Glaube mir, mein Mann und ich haben es probiert. Es funktioniert dann einfach nicht.

 Und so ist der Ablauf:

  1. Ihr vereinbart einen festen wöchentlichen Termin für das Gespräch, am besten immer am selben Tag und zur selben Uhrzeit. Dauer: 60-90 Minuten.
  2. Gleichzeitig macht Ihr einen fixen Ausweichtermin aus, an dem Ihr Euch trefft, falls Euer Regeltermin aus wichtigen Gründen einmal nicht stattfinden kann. Die Alternative darf nicht erst jedes Mal neu ausgehandelt werden.
    Also z.B. „Wenn wir uns am Montagabend nicht zusammensetzen können, treffen wir uns am Donnerstag um 19 Uhr zum Gespräch.“
  3. Ihr sucht Euch einen Platz, an dem Ihr Euch beide wohlfühlt. Gut wäre es, wenn Ihr Euch während des Gesprächs anschaut. Ihr also nicht auf einer Bank nebeneinandersitzt, nebeneinander herlauft oder ähnliches.
  4. Ihr sorgt dafür, dass Ihr während des Zwiegesprächs ungestört seid. Es sollte keine Unterbrechungen geben. Also Handys stummschalten und weglegen, Festnetztelefone leise stellen, etc.
  5. Ihr fangt pünktlich an, haltet die jeweiligen Gesprächszeiten ein und hört pünktlich auf.
  6. Thema der Gespräche ist immer Euer aktuelles Erleben. Jeder erzählt ausschließlich von sich selbst. Was ihm gefällt, was er sich wünscht, was er fürchtet. Wie er sich, den anderen und sein Leben im Allgemeinen erlebt. Was ihm wichtig ist oder was ihn gerade bewegt.
  7. Geredet wird immer abwechselnd. 10-15 Minuten erzählt der eine, dann genauso lange der andere, bis jeder 3x gesprochen hat. Damit kommt Ihr auf insgesamt 60-90 Minuten, je nachdem wie lang Eure Redeblöcke sind.
  8. Während der eine spricht, schweigt der andere. Er hört nur aufmerksam zu. Keine Fragen, keine Kommentare, keine Ratschläge. Wer nichts zu sagen hat, schweigt in seinem Redeblock. Jeder erzählt nur das, was er will. Es gibt keinen Zwang, etwas von sich preis zu geben.
  9. Und nochmal - ganz wichtig: Jeder bleibt bei sich! (Siehe auch Punkt 6.) Keine Interpretationen, Vorwürfe oder Unterstellungen.
  10. Berichtet dem anderen anhand konkreter Situationen, was Ihr erlebt oder empfunden habt. Keine theoretischen Exkurse.
  11. Wenn die Zeit für das Zwiegespräch abgelaufen ist, beendet Ihr das Gespräch. Ihr sprecht dann nicht mehr weiter über die Themen. Wenn etwas offen geblieben ist, könnt Ihr das im nächsten Zwiegespräch erneut aufgreifen.

Denkt daran: Sich wechselseitig einfühlbar machen, ist das erste Ziel dieser Gespräche.

Wie Ihr Euch dabei selber ein Bein stellen könnt…


Ich erinnere mich noch gut, als mein Mann und ich damals mit den Zwiegesprächen begonnen haben. Obwohl wir uns einig waren, dass diese Gespräche wichtig sind, dauerte es nicht lange, bis wir angefangen haben, uns selbst zu boykottieren.

Hier eine kleine Aufzählung möglicher Verhaltensweisen, die Euch hellhörig machen sollten:

  1. Ihr neigt dazu, Termine ausfallen zu lassen und schließlich ganz mit den Gesprächen aufzuhören.
  2. Ihr fangt an, die Zwiegespräche abzukürzen oder in ihrer Struktur aufzuweichen, so dass sie sich einfach verlaufen.
  3. Ihr trefft Euch an „ungeeigneten“ Orten, z.B. im Restaurant oder in der Sauna. Vielleicht kommt Ihr sogar auf die Idee, im Auto ein Zweigespräch führen zu wollen.
  4. Ihr „vergesst“ das Handy auszuschalten oder werdet anfällig für sonstige Ablenkungen.
  5. Ihr lenkt den Fokus der Gespräche weg von Euch und Eurem Erleben, hin zu irgendwelchen Sachdiskussionen. Ihr sprecht nicht mehr über Euch, sondern über „etwas“ (Weltgeschehen, Organisatorisches, Literatur o.ä.).
  6. Ihr redet nicht mehr über das, was Euch wirklich wichtig ist und berührt, sondern ergeht Euch in Oberflächlichkeiten. Eventuell bauscht Ihr auch Unwichtiges zu etwas Wichtigem auf.

Mein Mann und ich waren zum Beispiel besonders anfällig für Punkt 3. Bis wir unsere Selbstmanipulation entdeckt haben. Jetzt haben wir einen gemütlichen Partnerabend bei unserem Lieblingsitaliener und  nehmen uns an einem anderen Tag Zeit für das Zwiegespräch.

Wenn Ihr bei Euch auch Verhaltensweisen feststellt, die Euch von der festen Grundordnung der Zwiegespräche wegbringen, dann wird es Zeit, genau darüber zu sprechen. Vielleicht sogar in Form eines Zwiegesprächs! 😉

Und wann beginnt der „Umkehrschub“?


Je eher Du anfängst, Zwiegespräche mit Deinem Partner zu führen, desto schneller kann sich in Eurer Beziehung etwas ändern. Du kennst die Regel, dass man Dinge, die man nicht innerhalb der nächsten 72 Stunden beginnt, vermutlich gar nicht mehr tut? Also, legt los!

Wann sich dann die positiven Effekte der Gespräche zeigen, ist von Paar zu Paar verschieden. Jedes Paar hat sein eigenes Tempo. Bei uns hat es damals ein paar Monate gedauert.

Lass Dich bitte nicht entmutigen, wenn es nicht ganz so schnell geht, wie Du Dir das wünschst. Wichtig ist nur, dass Ihr am Ball bleibt und nicht aufgebt. Jeder noch so winzig kleine Schritt ist besser als stehen zu bleiben und wieder in Sprachlosigkeit zu verfallen.

Ich wünsche Dir viel Erfolg!

Herzlichst,
Deine Barbara

PS: Wenn Du gerne persönliche Unterstützung bei der Umsetzung haben möchtest, nimm einfach Kontakt mit mir auf. Ich bin nur eine Nachricht von Dir entfernt.

PPS: Das Buch, von dem ich gesprochen habe, ist „Die Wahrheit beginnt zu zweit -Das Paar im Gespräch“ von Michael Lukas Moeller. Du kannst es direkt über den Link unten bestellen. Es handelt sich um einen Affiliate-Link. Das Buch wird dadurch für Dich nicht teurer, aber ich bekomme einen kleinen Betrag ausgezahlt. Damit ich auch weiterhin Blogbeiträge für Dich schreiben kann... 

About the author

Barbara Wanning

Hallo, ich bin Barbara Wanning und seit 2009 habe ich mich endgültig dem Thema "Kommunikation" verschrieben. Denn nichts spielt für mich eine ähnlich große Rolle in privaten und beruflichen Beziehungen wie gehört und verstanden zu werden. Deshalb sorge ich in Trainings und Beratungen dafür, dass Missverständnisse und Beziehungsstress keine Chance mehr haben!