Was ein Quadrat mit Kommunikation zu tun hat.
Oder: Warum ein Mensch 4 Ohren haben kann, ohne ein Mutant zu sein.
Hast Du jetzt gerade sicherheitshalber nachgezählt, wie viel Ohren Du hast? Und bist nur auf 2 gekommen? Keine Panik - alles in Ordnung mit Dir! Du brauchst Dir keine Sorgen zu machen!
Aber was hat es dann mit den 4 Ohren auf sich, die ich in der Überschrift erwähnt habe? Dazu komme ich gleich. Lass mich erst noch erzählen, was der Auslöser dafür war, dass ich diesen Artikel schreibe.
Vor einiger Zeit hatte ich in einem anderen Blogbeitrag eine Übung zu persönlichen Bedürfnissen beschrieben. (Du kannst das gerne hier nachlesen, falls Du den Artikel verpasst hast.)
Der anonyme Kommentar…
Daraufhin erhielt ich auf der Website einen anonymen Kommentar, der wie folgt lautete:
„Hey, wenn ich meinem Mann mit so einer Liste kommen würde, würde er damit nichts anfangen. Für ihn ist immer alles gut und er versteht nicht, warum ich unzufrieden bin.“
Ich konnte die Leserin zunächst einmal beruhigt. Denn sie steht mit diesem Problem nicht alleine da. Dieser Satz fällt so oder ähnlich sehr oft in Gesprächen mit meinen Klientinnen. Es sind meist die Frauen, die sich zuerst an mich wenden, weil sie in ihrer Beziehung unglücklich sind oder weil ihnen etwas fehlt. Falls Du das also auch kennen solltest: Du bist in guter Gesellschaft!
… der eigentlich eine Frage war?
Ich habe aus dem Kommentar allerdings auch die Frage der Leserin herausgehört, wie sie denn nun mit dieser Situation umgehen soll. Wie es ihr gelingen kann, bei ihm überhaupt erst einmal das Bewusstsein dafür zu schaffen, dass für sie eben nicht alles in Ordnung ist. Wie sie ihm klar machen kann, dass ihre Bedürfnisse in der Beziehung offensichtlich nicht ausreichend berücksichtigt werden.
Vielleicht lag ich mit dieser Vermutung aber auch ganz falsch und sie wollte einfach nur einen sachlichen Kommentar abgeben und hatte gar keine Frage? Hmmm, ich denke eher nein.
Das Kommunikationsquadrat
Und hier zeigt sich bereits deutlich ein häufiges Phänomen in der Kommunikation zweier Menschen. Es gibt immer mehrere mögliche Arten, eine Aussage zu interpretieren. Friedemann Schulz von Thun hat dies mit seinem Kommunikationsquadrat (auch bekannt als 4-Ohren-Modell) schön erklärt.
Siehst Du? Schon sind wir bei den 4 Ohren und dem Quadrat aus der Überschrift gelandet. So schnell geht das!
Jede Äußerung enthält vier Botschaften gleichzeitig: eine Sachinformation, eine Selbstkundgabe, einen Beziehungshinweis und einen Appell. Nicht jeder hört auf jedem Ohr gleich gut. Und jeder legt den Schwerpunkt auf einen anderen Aspekt, wenn er spricht.
Sachinformation
Auf der Sachebene werden pure Daten und Fakten ausgetauscht. Welche Informationen werden übermittelt? Für den Empfänger bleibt nur zu prüfen, ob diese wahr oder unwahr, relevant oder irrelevant sind, oder ob sie eventuell einer Ergänzung bedürfen.
Selbstkundgabe
Mit jeder Aussage geben wir auch immer etwas von unserer Persönlichkeit preis. Zum Beispiel unsere Gefühle, Werte, Ansichten und Bedürfnisse. Mal mehr, mal weniger deutlich. Manchmal ist das durchaus gewollt, meistens geschieht das jedoch unbewusst.
Beziehungshinweis
Auf der Beziehungsebene übermittele ich dem anderen, wie ich zu ihm stehe. Mimik und Gestik spielen hier eine wichtige Rolle. Ein Stirnrunzeln oder ein Augenaufschlag helfen dabei zu unterscheiden, ob jemand irritiert ist oder aber mit uns flirtet. Je nachdem, wie (gut) jemand auf der Beziehungsebene hört, kann er sich wertgeschätzt oder zum Beispiel kritisiert fühlen.
Appell
Der Appell verdeutlicht, was ich vom anderen möchte. Das können Bitten, Befehle, Wünsche oder Ratschläge sein. Auf jeden Fall versuche ich mit diesem Teil der Botschaft, Einfluss auf den anderen zu nehmen. Dieser wird sich fragen, was genau er tun oder lassen soll.
So, genug der Theorie. Lass uns das mal an zwei Beispielen näher anschauen, die es inzwischen schon fast ein bisschen zur Berühmtheit gebracht haben. Vielleicht kennst Du sie ja schon. Dann kannst Du gerne direkt zu Franz Marc springen.
Die Ampel ist grün.
Stell Dir bitte einmal folgende Situation vor:
Eine Frau und ihr Mann sitzen im Auto. Sie fährt. An einer roten Ampel bleibt sie stehen. (Was ja sehr zu empfehlen ist!) Als die Ampel wieder auf grün schaltet, fährt die Frau nicht sofort los. Daraufhin sagt ihr Mann: "Es ist grün."
Wir dröseln diese Aussage jetzt mal nach den 4 Ebenen auf. Damit ergeben sich unterschiedliche Möglichkeiten, wie der Mann seinen Satz gemeint haben kann:
- Sachebene: Die Ampel hat auf grün geschaltet.
- Selbstkundgabe: Ich habe es eilig und möchte daher, dass du sofort fährst.
- Beziehung: Es wäre wohl besser gewesen, wenn ich gefahren wäre – Du reagierst zu langsam.
- Appell: Mach voran!
Auch die Frau interpretiert die Aussage ihres Mannes auf den verschiedenen Ebenen jeweils ganz anders:
- Sachebene: Die Ampel hat auf grün geschaltet.
- Selbstkundgabe: Ich bin es leid, immer warten zu müssen.
- Beziehung: Du kannst nicht Auto fahren!
- Appell: Das nächste Mal fahre ich wieder!
Wenn jetzt beide auf der Sachebene agieren, wird es wohl nicht zu Problemen kommen. Die Frau nimmt die Information wahr, überprüft sie sicherheitshalber nochmal und fährt dann los. Alles gut.
Hört die Frau dagegen zum Beispiel am stärksten mit Ihrem Beziehungsohr, wird die restliche Fahrt vermutlich nicht mehr ganz so harmonisch verlaufen. Wer will sich schon vorwerfen lassen, dass er nicht Auto fahren kann?
Du kannst gerne selber noch ein bisschen weiter mit den verschiedenen Kombinationsmöglichkeiten spielen, wer was wie gemeint und gehört haben könnte. Und Dir die jeweiligen Folgen ausmalen…
Wahnsinn, was alles aus dem einfachen Satz „Die Ampel ist grün.“ resultieren kann, oder?
Hast Du die Nachspeise anders gemacht?
In unserem zweiten Beispiel geht es ums Essen. Was ja in einer Beziehung durchaus immer mal wieder Thema sein kann. Die Szene ist diesmal wie folgt:
Ein Mann bittet seine Frau, ihm seine Lieblingsnachspeise zu machen. Der Mann probiert die Nachspeise und fragt: "Hast du die Nachspeise anders gemacht?"
Gemeint haben könnte er:
- Sachebene: Die Nachspeise schmeckt anders als sonst.
- Selbstoffenbarung: Die Nachspeise schmeckt mir heute nicht./Die Nachspeise schmeckt mir heute besser.
- Beziehung: Offen, da Mann und Frau sich nahe stehen.
- Appell: Bitte mach‘ die Nachspeise immer so./Bitte nimm das nächste Mal wieder das alte Rezept.
Die Frau könnte folgendes verstehen:
- Sachebene: Die Nachspeise schmeckt anders als sonst.
- Selbstoffenbarung: Ich bin enttäuscht/begeistert, dass es nicht wie sonst schmeckt.
- Beziehung: Du kannst nicht/prima kochen.
- Appell: Bitte keine Experimente mehr./Öfter mal etwas Neues!
Auch hier gilt wieder: Die Spiele sind eröffnet! Wie könnte die nächste Szene aussehen? Wie geht das gemeinsame Essen zu Ende? Im Schlimmsten Fall kommt es zu einem handfesten Streit, weil die Frau sich kritisiert fühlt, obwohl er sie doch eigentlich loben wollte.
Franz Marc und Dein Lieblingsohr
Wie ist das bei Dir und Deinem Partner? Welches Ohr benutzt Ihr vorrangig?
Wir sind alle unter anderem stark dadurch geprägt, wie wir aufgewachsen sind. Wurde in Deiner Familie alles offen angesprochen und ausdiskutiert? Oder war es wichtig, dass Du besonders gut zwischen den Zeilen lesen konntest und vieles ohne explizite Aufforderung getan hast? So war es zum Beispiel bei mir.
Da fällt mir gerade noch eine passende Begebenheit mit meinem Mann ein. Wir waren im Auto durch Kochel am See unterwegs. Mein Mann ist gefahren. Auf einmal fiel mein Blick auf ein Schild (Keine Ampel... ), das auf das Franz Marc Museum hinwies. Das Museum lag direkt an der Straße, auf der wir gerade fuhren.
Ich sagte „Oh, guck‘ mal! Da ist das Franz Marc Museum!“ Mein Mann nickte und fuhr völlig unbeeindruckt weiter. Das war jetzt nicht wirklich das, was ich mir erhofft hatte. Ich hätte nämlich gerne eine kurze Pause eingelegt und mir das Museum angesehen. Wenn wir schon mal direkt daran vorbei kommen…
Was war passiert? Mein Mann hatte ausschließlich die Sachebene ("Da ist das Museum.") wahrgenommen. Durch sein Nicken war für ihn alles erledigt. Denn dadurch hatte er mir ja signalisiert, dass er die Information zur Kenntnis genommen hatte.
Ich war total enttäuscht, dass er nicht auf meinen unausgesprochenen Appell „Halt bitte an! Ich möchte mir gerne das Museum ansehen.“ reagiert hat.
Gott sein Dank habe ich damals recht schnell gemerkt, in welche Falle wir da gerade getappt waren. Bevor wir aus der Ortschaft rausfuhren, habe ich meinen Wunsch dann noch laut ausgesprochen.
Was soll ich sagen? Das Museum ist toll! Falls Du mal in der Nähe bist und Dich für Expressionismus interessierst, schau‘ es Dir unbedingt an.
Zurück zu den Bedürfnissen
Jetzt mache ich kurz vor Schluss dieses Artikels nochmal einen Schlenker zurück zu Deinen Bedürfnissen.
Wie ich im Blogbeitrag „Schon wieder Streit statt eines schönen Abends“ geschrieben habe, ist es zunächst einmal wichtig, dass Du für Dich wirklich Klarheit darüber hast, was Du möchtest. Welche Bedürfnisse Du hast, was Du Dir von Eurer Beziehung wünschst. Und zwar ganz konkret. Häufig liegt das für meine Klientinnen selbst noch eher „im Nebel“.
Trotzdem erhoffen sich viele unbewusst, dass der Partner „hellseherische Fähigkeiten“ hat und automatisch alles „richtig“ macht. Aber mal ganz ehrlich: Wie soll er das schaffen, wenn Du selber es noch nicht einmal weißt? Es lohnt sich also auf alle Fälle, wenn Du hier zunächst für Dich Klarheit schaffst. Dabei kann die Übung helfen.
Kannst Du Deinem Partner vermitteln, was Dir wichtig ist?
Und dann kommt es darauf an, dass Du Deine Wünsche und Bedürfnisse auch ganz klar auf eine positive Art und Weise formulieren kannst. Hier spielen viele Dinge eine Rolle. Einen Teil davon habe ich oben bereits beim 4-Ohren-Modell erwähnt.
Versteht er implizite Bitten? Kannst/willst Du lernen, Deine Wünsche direkt auszusprechen?